Die Verbundenen
Schon im Foyer wird klar, worum es hier geht — um Verbindungselemente wie Schrauben, Muttern, Norm- und Sonderteile aus unterschiedlichsten Werkstoffen. Ausgestellt in Glasvitrinen, auch eine Drehbank aus dem Jahre 1914 hat ihren Ehrenplatz gefunden. Seit mittlerweile 75 Jahren existiert die Böger GmbH mit Sitz in Bielefeld-Brackwede. Mit Ulrich Mensendiek, der das Handels- haus seit 1997 führt, ist bereits die dritte Generation tätig.
Es sind Sommerferien — eine gute Zeit, um auch auf die Kinder des 56-Jährigen zu treffen:
Tochter Jara (18) hat nach ihrem Abitur 2024 ein Duales Studium an der FHDW aufgenommen, Sohn Jordi (20) befindet sich im zweiten Ausbildungsjahr zum Groß- und Außenhandelskaufmann. Besonderheit: die Geschwister absolvieren ihre Ausbildungen im väterlichen Unternehmen.
Perfekte Bedingungen also für eine Familiennachfolge des 1950 von ihrem Urgroßvater als Metallwarenhandel gegründeten Unternehmens. Walter Böger startete klassisch in einem Erdgeschossraum an der Vogelruth in Brackwede.
1978 bezog das Unternehmen dann ein Gebäude an der Gütersloher Straße, wo es noch immer seinen Sitz hat. Und blieb weiter in Familienhand: „Meine Mutter Maria-Luise Mensendiek und ihr Bruder Ludwig Böger führten die Firma fort, spezialisierten sich dann aber auf Schrauben und Verbindungselemente“, erzählt der Unternehmer.
Mensendiek selbst ging nach dem Abitur zunächst zur Bundeswehr, absolvierte eine Banklehre, studierte BWL. Nach dem Studium bildete er sich im Bereich Finanzdienstleistungen weiter fort. Ob ihm das Unternehmertum in den Genen steckt? Da muss der geschäftsführende Gesellschafter nicht lange überlegen: „Ich habe schnell erkannt, dass ich die Firma weiterführen möchte. Familiären Druck gab es keinen und meine beiden Brüder hatten kein Interesse. Es war eher so, dass mich die Idee, selbstständig zu sein, gereizt hat.“ Schon als Kind habe er viel Zeit im Betrieb seines Opas verbracht und dort in den Schulferien mitgeholfen. Inzwischen ist er seit 2003 alleiniger Gesellschafter; eine Entscheidung, die Mensendiek bisher nie bereut hat. „Wir sind ein tolles Team, es gibt kaum Fluktuation und bei uns geht es sehr familiär zu. Wir grillen schon mal zusammen, auch Hunde sind im Büro erlaubt und es kommt vor, dass wir Kinder zu Besuch haben, wenn es bei der Betreuung hakt. Es bedeutet mir viel, für meine 25 Mitarbeitenden da zu sein.“

BREITER BRANCHENMIX
Das Handelshaus verfügt über einen breiten Branchenmix — zu den Kunden zählen unter anderem der Maschinenbau, die verarbeitende Industrie, Automobilzulieferer sowie die Elektroindustrie.
Ulrich Mensendiek betont, dass hinter Böger ein ausgefeiltes System stecke: „Schrauben von A nach B liefern, kann jeder. Wir hingegen bieten eine ausgearbeitete Lösung an. Als Dienstleister haben wir uns auf das C-Teile-Management spezialisiert. So übernehmen wir für unsere Kunden die Lagerhaltung, kümmern uns um die Nachbestellung, liefern aus und bieten ein Regalsystem an, sodass immer für Nachschub gesorgt ist.“ Ein Modell, das trotz der herausfordernden Zeiten funktioniere: „Wir wachsen mit komfortabler Rate und konnten in den vergangenen zwei Jahren unseren Umsatz verdoppeln. Wir profitieren davon, dass wir uns fokussiert und so Know-how erlangt haben. Wenn Normteile nicht passen, beschaffen wir sämtliche Sonderteile auf dem Weltmarkt, sei es in Fernost oder Europa“, erklärt Mensendiek sein Geschäftsmodell. So lagern bei Böger 40.000 Artikel auf 2.000 Quadratmetern Fläche — ob Schrauben für Herzschrittmacher, für Möbelstücke oder für das europäische Satellitensystem. Um in Zukunft noch breiter aufgestellt zu sein, hat Mensendiek 2023 die Firma Reker-Nuts in Rietberg zugekauft, die ebenfalls auf Verbindungselemente, insbesondere Muttern, spezialisiert ist. Hier beschäftigt der Unternehmer weitere 15 Mitarbeitende. 30 Prozent der Anteile gehören Jan Beckhoff, dem Sohn aus der ersten Ehe seiner Frau Brigitte — auch hier ist also alles fest in Familienhand. Bleibt zu erwähnen, dass diese für die Lohnbuchhaltung verantwortlich zeichnet.

NÄCHSTE GENERATION STEHT FEST
Zurück zu den Unternehmerkindern Jara und Jordi. Erste Einflüsse der nächsten Generation sind bereits sichtbar — so hat das Geschwister-Duo bei der Neugestaltung des Besprechungszimmers mitgewirkt. Besonders stolz ist Jordi Mensendiek auf den großen, einladenden Besprechungstisch: „Der ist aus 100-jähriger Eiche. Ich habe ihn gemeinsam mit meinem Cousin geplant und aufgebaut, die Pflege wie das regelmäßige Ölen liegt in meiner Hand“, spürt man seine Verbundenheit. Das moderne Sideboard, die gemütlichen grauen Polsterstühle sowie diverse Dekoelemente hingegen tragen die Handschrift seiner Schwester. Weiteren Verbesserungsvorschlägen seines Nachwuchses steht Ulrich Mensendiek offen gegenüber — ob Kaffeevollautomat für die gesamte Belegschaft, ein Zuschuss zum Fitnessstudio oder Jobrad. Er schmunzelt, den stolzen Vater kann er nicht ganz verhehlen: „Ich sehe bei beiden, dass sie Interesse an der Firma haben und die Eignung da ist. Trotzdem müssen sie sich bewähren, wie alle anderen Mitarbeitenden auch.“ Aus der fachlichen Ausbildung seiner Kinder hält sich Ulrich Mensendiek, der viele Jahre Mitglied in der IHK-Vollversammlung war, daher heraus: „Diese Aufgaben übernimmt mein Verkaufsleiter und Prokurist Alexander Friedrichs (30), der bei uns über die IHK-Akademie ein Duales Studium absolviert hat. Er ist das Bindeglied zwischen mir und der nächsten Generation. Mit seinen erst 30 Jahren ist er an vielen Themen näher dran, zudem hat er einen guten Draht zu meinen Kindern.“

GESCHWISTER SIND EIN TEAM
Die Geschwister ergänzen sich: Jara, eher introvertiert, Jordi extrovertiert — so ihre eigene Einschätzung. „Ich fand das Unternehmen schon immer toll und möchte die Schraubenbranche näher kennenlernen. Es gibt hier so viele Mitarbeitende, von denen ich viel lernen kann“, schließt Jordi Mensendiek nicht aus, nach der Ausbildung noch einen Fach- oder Betriebswirt zu machen und woanders Erfahrungen zu sammeln. Jara Mensendiek sieht Potenzial in der Branchenvielfalt des Handelshauses: „Schrauben sind als Produkte nicht so sexy, aber kaum jemand macht sich Gedanken, wo sie überall eingesetzt werden. Und sie werden immer benötigt.“ Ihr Ziel ist es, nach dem Bachelor noch den Master draufzusatteln. Beiden ist wichtig, nicht nur eine Nummer zu sein und sich füreinander einzusetzen: „Wir sind keine Konkurrenten, sondern sehen uns als Team, das sich gegenseitig hilft“, stimmen sie überein. Beide seien gut in Mathe, auch Sprachen liegen ihnen. „Durch das Studium eignet sich Jara mehr theoretisches Wissen an, ich hingegen sammele erstmal mehr operative Erfahrungen“, sagt der Junior. In der Belegschaft komme gut an, dass die Kinder vom Chef im Unternehmen aktiv sind, bestätigt Ulrich Mensendiek: „Sie freuen sich, dass sie die Gewissheit haben, dass Böger fortgeführt wird.“ Dass viele seine Kinder noch als Babys kennen, ist ein weiteres verbindendes Element.

VATER IST VORBILD
An ihrem Vater schätzen die beiden, dass er „Ruhe ausstrahle und über viel Wissen verfüge.“ Seinen Führungsstil beschreiben die Geschwister als freundlich, aber dennoch fordernd. Tochter Jara beispielsweise mag seinen wertschätzenden Umgang mit den Mitarbeitenden: „Papa schreibt bei Jubiläen jedem einen persönlichen Brief, das ist eine schöne Tradition, finde ich.“ Sohn Jordi bewundert die Ausstrahlung seines Vaters: „In dieser Hinsicht ist er mein Vorbild. Seinen respektvollen Umgang mit Kunden und Mitarbeitenden auf Augenhöhe finde ich nachahmenswert. Er kommt einfach gut rüber.“ Andersherum freut sich Ulrich Mensendiek über den Input, den seine Kinder mitbringen: „Sie beschäftigen sich viel mit Künstlicher Intelligenz und sind viel intuitiver. Wir schauen zum Beispiel gemeinsam, wo wir Prozesse digitaler gestalten können. Ich bin erstmal offen und unterstütze ihre Versuche. Sollte es mal schiefgehen, ist das auch okay. So lernen sie früh, Dinge selbst zu entscheiden, eine wichtige Fähigkeit fürs Unternehmertum.“ Seinen Anspruch formuliert Mensendiek, der sich im IHK-Außenwirtschaftsausschuss engagiert, so: „Ich möchte meinen Kindern ein top modernisiertes Unternehmen hinterlassen, damit sie später ohne Sorgen loslegen können.“
Die Trennung zwischen Firma und Familie bekommen die Mensendieks gut hin, nur selten werde zuhause über Berufliches gesprochen. Noch wohnen beide Kinder im Elternhaus, die Großeltern nebenan. Es gibt jedoch eine Person, mit der sich Jordi gerne auch nach Feierabend übers Unternehmen austauscht: „Meine Oma fragt oft, wie es so läuft. Das freut mich immer sehr. Das zeigt mir, wofür ich mich engagiere und es ist schön zu sehen, mit wieviel Leidenschaft sie noch heute an unserem Unternehmen hängt.“

Silke Goller

Erschienen in „Ostwestfälische Wirtschaft“, Ausgabe 10/2025
Mit freundlicher Genehmigung der IHK Ostwestfalen. 
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